Eindrücke zur ersten Tournee

MajorVoice live in Oberhausen Turbinenhalle

Als Nichtbeteiligter kann man sich so etwas wie eine richtige Tournee mit einer Band nicht vorstellen. Wie auch? Es gibt nichts Vergleichbares. Daher werde ich hier meine Eindrücke schreiben, in der Hoffnung, dass es uns einander näher bringt. Meine erste Tournee umfasst 5 Wochen, immer mit 2-3 freien Tagen darin. Ich bin Teil der „TTTE“-Tour (Together `til the end) von Mono-Inc.

Nach gefühlten 6473 Stunden ohne Schlaf geht es am Mittwochmorgen los. Treffen am sogenannten „Nightliner“ – einem Reisebus wie aus einer anderen Welt. Obere Etage mit ausreichend Schlafkojen versehen, unten mit Sanitär-, Küchen- und Loungebereich. Vorne sogar mit Fahrer, das macht das ganze schneller…

Neben der Band sind sowohl Tourmanager als auch Techniker mit an Bord und man lernt sich so recht schnell kennen, was alles entspannter macht. Am Mittwochabend haben wir die Bühne in Hannover für einen Soundcheck und wollen einen kompletten Test-Konzertdurchlauf spielen, weil auf dieser Tour auch für Mono-Inc. aufgrund des neuen Albums extrem viel Neues auf die Bühne gebracht werden muss. Dazu hat man noch mitten im Programm diesen komischen Neuling dabei, was ein ziemliches Wagnis ist: Mitten im Konzert dazwischengeschoben, kann sowas die komplette Show zerreißen und die Stimmung komplett schreddern. Ich schwitze.

Die Halle ist klasse, der Bühnenaufbau klappt toll, und auch die nicht gelieferten Teile des Bühnenbilds sollen bis Morgenabend vorm Konzert da sein. Jippie.

Mono-Inc. beginnt mit dem Durchlauf, dann bin ich dran, vertausche Texte – nicht nur im Lied, sondern auch durch Zuhilfenahme komplett fremder Worte, einige davon in Sprachen ferner Galaxien. In Erwartung einer angemessenen Kopfabreißung überrascht mich Gitarrist Carl anschließend mit: „Generalprobe muss Kacke sein, dann wird die Show gut. Gut gemacht!“ Diese Gitarristen…

Etwas später dann die erste Nacht im Bus. Ungewohnt und beklemmend die kleinen Schlafkojen. Erinnerten mich sofort an Erfahrungen, die ich vor vielen Jahren gemacht habe. Nicht schön. Und nicht hier her gehörend. Außerdem wird Sauerstoff überbewertet. Sieht man ja am Weltall.

Mein erster Konzertabend steht an. 2 ½ Stunden geschlafen, gerädert. Schlechter Kaffee morgens hilft, bin ja jetzt n Rocker. Soundcheck absolviert, alles gut. Abends dann die Show. Alles läuft gut an, Mono-Inc. heizen dem Saal wie gewohnt ein, mehrere Hundert glücklicher Fans. Dann Martins Einleitung zu meinem Part. Leichte Änderung meines Pulses von vorher 300:10 auf 300:310, mein Hirnwasser schlägt Flocken, zwischen meinen Ohren verwandelt sich alles schlagartig zu Vanillepudding:“ Potter`s field is where you find me, beneath the wonderful life, nee, Kackekackekacke…“ Es gibt effektivere Mantras. Wo war noch das Sauerstoffzelt? Dann der Ruf von Martin: “MajorVoice!“, der mich automatisch – ja, auch auf Gummi kann man gehen – Richtung Bühnenmitte zieht. Ich seh nichts mehr, weiß nichts mehr, bin feddich. Die Musik setzt ein, Martin kommt mir entgegen, umarmt mich – und plötzlich ist alles gut. Und klar. Das Bild klart sich auf, ich höre den Begrüßungsapplaus und bin in diesem einen Moment so unglaublich dankbar, dass ich mich zwingen muss, die Augen trocken zu halten. Also werde ich diesen lieben Menschen, die mich alle anlächeln, und von denen ich einige ja bereits kenne, eine Geschichte erzählen. Von Potter`s Field. Weil sie die so mögen. Und ich auch. Erste Strophe erzählt. Ich kann in die Gesichter vieler Zuhörer sehen, und niemand ist grimmig oder desinteressiert. So viele offene und lächelnde Menschen schauen mich an und warten auf die weitere Geschichte. Die zweite Strophe bestätigt die erste, und zum Liedende hin kann ich das Versprechen einlösen und meine Gefühle hinaussingen, eine Oktave höher und mit Kraft, begleitet vom anschwillenden Applaus während des Singens und noch aufbordender am Ende. Glückliche Verneigung, und dann geht schon der zweite Song los. Ich merke, wie die Masse der Zuhörer nach wenigen Takten das Lied erkennt. Niemand wusste ja, was kommt. Die Band um mich herum baut mir einen nahezu fliegenden Teppich, Blicke zwischendurch zur Band zeigen ebenfalls nur Lächeln und Spaß auf den Gesichtern. Der Refrain wird sofort mitgesungen, beklatscht, und als es zu Ende ist, ballert der Applaus nur so auf mich zu. Wunderbar. Ich möchte hierbleiben. Kann ich nicht ein Sofa hier her stellen? Hier ist es so schön! Aber die Zuhörer haben sich noch die zweite Konzerthälfte verdient, und so verlasse ich die Bühne, werde abgeklatscht und wandere Richtung Garderobe. Nur einen Moment hinsetzen und das eben verdauen. Nur eine Minute Augen zu. Und dann schlief ich ein, 40 Tage und 40 Nächte, und da war eine Fee und Zwerge und…